Studie: Sozialstaat belastet künftige Generation mit halber Billion Euro

Die Politik hat in den vergangenen Jahren die Sozialversicherungen mit neuen Leistungen belastet und bürdet damit künftigen Generationen gewaltige Kosten von bis zu 881 Milliarden Euro auf.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Das ist das Ergebnis einer Berechnung des Forschungszentrum Generationenverträge der Universität Freiburg für die "Welt am Sonntag". Durch eine Serie von vermeintlich kleinen Leistungsausweitungen, die bereits umgesetzt oder zumindest beschlossen sind, entstehen künftigen Generationen demnach langfristig Kosten in Höhe von insgesamt 490 Milliarden Euro oder knapp einem Fünftel des Bruttoinlandprodukts (BIP). Bei dieser Berechnung wird kalkuliert, welche finanzielle Rücklagen der Staat heute bilden müsste, um sie dauerhaft finanzieren zu können.

"Viele kleine Fehler summieren sich zu einem großen Fehler", sagte Bernd Raffelhüschen vom Forschungszentrum Generationenverträge dieser Zeitung. Zu den betrachteten Reformen gehören zusätzliche Leistungen in der Pflege- und Rentenversicherung, die Abschaffung der Praxisgebühr und das Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder nicht eine Krippe schicken. Berücksichtigt man zusätzlich noch von der Union geplanten Vorhaben wie die Lebensleistungsrente, also die Aufstockung von Mini-Renten, und die Aufwertung der Kindererziehungszeiten bei der Rente, steigt die Summe auf atemberaubende 881 Milliarden Euro.

Würde eine künftige Regierung gar die Wahlkampfversprechen der SPD umsetzen, dürfte diese Summe noch weit höher sein. Die einzige Sozialreform der vergangenen Jahre, die für mehr Nachhaltigkeit gesorgt hat, ist die Rente mit 67. Sie sorgt für eine dauerhafte Entlastung, die mit 411 Milliarden Euro zwar ebenfalls hoch ausfällt. Allerdings wird dadurch die Mehrbelastung durch die Leistungsausweitungen bei Weitem nicht ausgeglichen - erst recht nicht, wenn man die erst geplanten Maßnahmen von Union oder SPD berücksichtigen würde.

Bei der Berechnung schlägt die demografische Entwicklung stark zu Buche: Bis 2030 wird sich die Zahl der über 60-Jährigen mehr als verdreifachen. Die populären Leistungsversprechen, die die Politik heute abgibt, werden künftig von immer weniger Menschen finanziert werden müssen. Hans Heinrich Driftmann, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), geht denn auch hart ins Gericht mit Schwarz-Gelb und kritisiert vor allem das jüngst beschlossene Betreuungsgeld, dass ab 2013 gezahlt werden soll: "Eine solche Zahlung kann dazu führen, dass gerade Familien aus bildungsfernen Schichten die Möglichkeiten einer Kinderbetreuung und damit einen ersten Baustein frühkindlicher Bildung nicht in Anspruch nehmen, sondern stattdessen die Geldleistung beziehen. Deshalb plädiere ich dafür, sich auf den stockenden Ausbau der Kinderbetreuung zu konzentrieren und ansonsten der Haushaltskonsolidierung Vorrang vor neuen Wohltaten zu geben", sagt Driftmann. "Das gilt auch für Ideen, ergänzend neue Wohltaten in der Rentenversicherung zu verteilen."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 16.12.2012

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