Wirtschaftsweiser Franz kritisiert Mindestlohn

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Wolfgang Franz, hat den Unionsbeschluss zur Etablierung eines allgemein verbindlichen, gesetzlichen Mindestlohns stark kritisiert.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn würde dem Ziel der Vollbeschäftigung im Wege stehen, sagte Franz der "Welt" (Montagausgabe). Von Vollbeschäftigung spreche man bei einer Arbeitslosenquote von etwa vier Prozent. "Heute sind wir bei rund sieben Prozent, da haben wir noch einiges vor uns", sagte Franz.

"Wir sehen aber jetzt bei der guten Arbeitsmarktentwicklung, dass wir an den harten Kern der verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit kommen. Wer qualifiziert ist, bekommt zur Zeit einen Arbeitsplatz, übrig bleiben die schwer zu vermittelnden Langzeitarbeitslosen, die zu einem beachtlichen Umfang gering qualifiziert sind." Ihre einzige Chance auf eine Beschäftigung, so Franz, sei "oft ein niedriger Lohn".

Dem Wirtschaftsweisen zufolge würde ein Mindestlohn ihre Arbeitsplätze vernichten. "Sie bekommen so niedrige Stundenlöhne, weil sie oft nicht so qualifiziert und deshalb nicht so produktiv sind. Deshalb ist es ein gutes System, dass man sie in den Arbeitsmarkt integriert und ihren Lohn mit Arbeitslosengeld II aufstockt."

Die Art von Lohnuntergrenze, die die CDU einführen möchte, hält Franz für besonders schädlich. Die CDU möchte eine allgemeine Lohnuntergrenze nach Branchen und Regionen differenzieren. "Ein branchenspezifischer, gesetzlicher Mindestlohn ist schlimmer als ein flächendeckender", sagte Franz.

Bei branchenspezifischen Mindestlöhnen bestehe die Gefahr, dass eine ganz kleine Gewerkschaft mit einem Arbeitgeberverband, der nur eine geringe Anzahl von Unternehmen erfasse, eine Lohnuntergrenze für die gesamte Branche aushandele - und damit möglicherweise die Konkurrenz ausschalte, die niedrigere Löhne zahle. "Ich halte nichts von einem Flickenteppich von Differenzierungen, dann sollte man das Ganze doch lieber den Tarifvertragsparteien überlassen", sagte Franz. "Wie will denn der Staat entscheiden, für welche Arbeitnehmer in welchen Branchen und welchen Regionen Differenzierungen vorgenommen werden sollen? Davon würde ich dringend abraten." Franz warnte davor, eine "Rezession herbeizureden". "Sicher, es gibt Risiken wie die Schuldenkrise und die Abschwächung des Welthandels. Aber "erst einmal sollten wir die konjunkturelle Entwicklung abwarten", riet Franz.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 20.11.2011

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